Perspektiven der Erinnerungsarbeit


In der Stadt Werther (Westf.) mit ihren etwa elftausend Einwohnerinnen und Einwohnern finden wir eine Vielzahl von Aktivitäten und Einrichtungen, die als Beiträge zu einer lokalen „Erinnerungsarbeit“ gewertet werden können. Mit der Aufarbeitung der Geschichte jüdischer Familien werden die Namen ermordeter Personen und Ereignisse der Diskriminierung und Verfolgung so dargestellt, dass sie Eingang in das kollektive Gedächtnis finden können und so vor dem Vergessen bewahrt werden. Mit Mahnmalen und Gedenkfeiern werden Orte und Institutionen geschaffen, an denen das gemeinsame Erinnern stattfinden und die Botschaft verbreitet werden kann, dass wir achtsam bleiben müssen. Sonst entstehen wieder, erst unmerklich und dann immer offenkundiger, strukturelle Voraussetzungen dafür, dass sich die Geschichte wiederholt. Um dies zu verhindern, finden öffentliche Veranstaltungen statt und in den Schulen wird den heranwachsenden Generationen in Workshops und Aktionstagen die lokale Geschichte als Beispiel für allgemeine Probleme und Tendenzen nähergebracht.

Mehrfach haben wir betont, dass wir vorrangig die Perspektive der Opfer der Verfolgung und ihrer Nachfahren zu Wort kommen lassen wollen. Das heißt nicht, dass diese Personen die Ereignisse besser erinnern, aber sie haben eine andere Wahrnehmung der Ereignisse und einen persönlichen Zugang zu Familiengeschichten, die unser Gesamtbild bereichern und präzisieren. Denn es geht ja nicht darum, zu rekonstruieren, „wie es wirklich war“ – das ist schließlich unmöglich. Vielmehr soll das Erinnern vielstimmig sein und die Sicht vieler Betroffener berücksichtigen. Darum und um die Vermittlung an die nächsten Generationen geht es in erster Linie. In diesem Sinne hat Sally Perel seine Lesungen in der Peter August Gesamtschule Werther/Borgholzhausen immer mit den Worten an die Schülerinnen und Schüler beendet:

Wenn ich nicht mehr lebe, müsst ihr die Zeitzeugen sein
und dafür sorgen, dass sich das Geschehene nicht wiederholt
.“

Sally Perel ist im Februar 2023 in Israel verstorben.