Kurt W. Weinberg Vor 100 Jahren geboren – am 23. Juli 1924


Als im Herbst 2008 der „Arbeitskreis Spuren jüdischen Lebens“ gegründet wurde, um den lokalen Teil der Ausstellung zur Reichspogromnacht in OWL vorzubereiten, meldete sich sofort Kurt Weinberg per Telefon aus London: „Ich stamme aus Werther und ich möchte bei Euch mitarbeiten“. Und wie er mitgearbeitet hat! Er hat sein umfangreiches Archiv geöffnet, ist mit seiner Ehefrau Charlotte nach Werther gereist und hat in London in seinem Haus Mitglieder des Arbeitskreises willkommen geheißen, wenn sie Interviews mit ihm führen oder Dokumente einscannen wollten.
Vor nunmehr einhundert Jahren ist Kurt Wilhelm als Sohn der jüdischen Fabrikanten-Familie Weinberg aus Werther zur Welt gekommen. Er hat seine Kindheit und Jugend mit seinen drei Geschwistern im Haus Werther verbracht, der heutigen Bürgerbegegnungsstätte, hat hier die Schule besucht und mit Verwandten und Freunden eine herrliche Zeit erlebt. Bis er schon am 1. April 1933 die ersten Übergriffe der Nationalsozialisten auf sein Elternhaus miterleben musste und in der Folge die zunehmende Diskriminierung, Ausgrenzung und Entrechtung aller Jüdinnen und Juden aus Werther. Kurt musste nach Frankfurt auf eine jüdische Schule wechseln, der Familiensitz der Weinbergs wurde „arisiert“, sein Vater am 10. November 1938, am Tage nach der Reichpogromnacht, verhaftete und in Buchenwald inhaftiert.
Kurts Mutter Else gelang es, ihre vier Kinder in getrennten Kindertransporten nach England vor der Verfolgung durch die Nazis zu retten; sie konnte kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auch noch die Ausreise für ihren erkrankten Ehemann und für sich selbst erreichen.

Kurt kam im Mai 1939 mit den Kindertransporten nach England. Das Jewish
Refugee Committee in Hampstead Garden Suburb diente ihm als Garant. Als
er in England ankam, wurde er zunächst allein in einem Altersheim untergebracht. Dank der Unterstützung durch eine großzügige englische Familie konnte er später die Schule im einen Internat besuchen. Während des Krieges wurde seine Schule nach Cornwall evakuiert.
Nach dem Krieg begann Kurt in einer Radiowerkstatt in der Nähe von Charing Cross in London zu arbeiten, wo er lernte, Radiogeräte zu reparieren. Später arbeitete er in einer Radiofabrik in Tottenham.
1949 kehrte Kurt zum ersten Mal wieder nach Deutschland zurück. Er verkaufte 1954 die Fabrik seines Vaters, die ihm durch Restitution zurückgegeben worden war und kehrte nach England zurück, wo er sein eigenes Tabakimportunternehmen am Market Place in London gründete, das niederländische Zigarren verkaufte. 1974 verkaufte Kurt die Firma und widmet sich intensiv dem 1967 zusammen mit seiner Frau Charlotte (geborene Alexander) gegründeten »Nansen-Village«, dass Studenten aus aller Welt in London bezahlbaren Wohnraum bietet. Den beiden war es ein Anliegen, die humanitäre Hilfe, die Kurt in jungen Jahren bekommen hatte, zurückzugeben. Bis heute zählt das »Dorf« zu den wichtigsten Lebensaufgaben der Familie. Bisher fanden ca. 2.000 junge Familien hier ein Zuhause auf Zeit.

Im September 2010 kam Kurt Weinberg zusammen mit seiner Ehefrau Charlotte und seinem Schwager Fred Alexander nach Werther zur Eröffnung der Ausstellung „Reichspogromnacht in OWL“. Sie erzählten Grundschulkindern aus ihrem bewegten Leben und trugen sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Bis zu seinem Tod am 09.01.2018 war es Kurt Weinberg ein besonders Anliegen, im Arbeitskreis mitzuarbeiten und seine Beziehungen zu den befreundeten Personen in Werther zu bewahren. Auch heute besteht weiterhin ein intensiver Kontakt mit der Familie Weinberg; sie verfolgt das Leben in Werther mit großem Interesse.

Bild: Kurt trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Werther ein. (Copyright: Willi Rose)